Der Kegelsport hat in Deutschland eine lange und wechselvolle Geschichte. Über Jahrhunderte hinweg entwickelte er sich von einem volkstümlichen Freizeitvergnügen zu einer fest etablierten Sportart mit nationaler und internationaler Bedeutung. Dabei spielte nicht nur der gesellschaftliche Wandel eine Rolle, sondern auch regionale Besonderheiten und technische Entwicklungen, die zur Vielfalt der Disziplinen beigetragen haben.
Historische Entwicklung des Kegelsports in Deutschland
Das Kegeln zählt zu den ältesten Freizeit- und Sportbeschäftigungen in Deutschland und hat eine bewegte Geschichte vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Erste Hinweise auf das Kegelspiel stammen bereits aus dem 12. Jahrhundert: 1157 erwähnt die Rothenburger Chronik das „Bossen“ – ein mittelalterliches Wort für Kegeln – als verbreitetes Vergnügen. Im Mittelalter wurde Kegeln zumeist unter freiem Himmel gespielt, oft auf einfachen Kegelplätzen in Dörfern und Städten. Allerdings war das Kegelspiel damals weniger ein Sport im heutigen Sinne, sondern eher ein Glücksspiel-ähnliches Volksvergnügen: Wetten, Alkoholkonsum und bisweilen handfeste Schlägereien gehörten dazu. Aus diesem Grund verboten kirchliche wie weltliche Obrigkeiten das Kegeln zeitweise – so wurde es im 14. Jahrhundert in Teilen Deutschlands und Frankreichs untersagt, und die Reformationszeit sah Versuche protestantischer Stadtväter, das als unsittlich betrachtete Kegeln einzudämmen. Doch die Popularität ließ sich nicht dauerhaft unterdrücken: Im 15. Jahrhundert gehörte ein Kegelplatz nahezu in jedem Ort zum gesellschaftlichen Leben, vergleichbar mit der Tanzlaube bei Volksfesten. Kegeln wurde von allen Schichten ausgeübt – Bauern und Handwerker ebenso wie Adeligen und sogar Geistlichen. In Klöstern etwa war das Spiel trotz offizieller Missbilligung verbreitet; dort sprachen die Mönche scherzhaft vom „Heidentöten“, wenn sie mit der Kugel auf die neun Kegel zielten, die symbolisch für das Böse standen.
Einer Legende nach soll Martin Luther persönlich Einfluss auf das Kegelspiel genommen haben: Dem Reformator wird zugeschrieben, im 16. Jahrhundert die Zahl der Kegel auf neun festgelegt zu haben – damals gab es regional ganz verschiedene Varianten mit drei bis zu siebzehn Kegeln. Tatsächlich soll Luther sogar eine eigene Kegelbahn neben seinem Wohnhaus besessen haben, auf der er mit seinen Kindern spielte. Ob Wahrheit oder nicht – fest steht, dass spätestens in der Frühen Neuzeit das neunkegelige Spiel zur dominierenden Form in Zentraleuropa wurde. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich Kegeln zunehmend vom bloßen Vergnügen zum wettkampforientierten Spiel. Erste Regelwerke entstanden: So veröffentlichte der Gelehrte Johann Georg Krünitz 1786 in Berlin ein Lexikonartikel mit „13 Regeln für das Kegelspiel“ – zum Beispiel dem heute selbstverständlichen Gebot, nicht über die Abwurflinie zu treten. Auch berühmte Persönlichkeiten jener Zeit waren begeisterte Kegler: Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe etwa frönten dem Kegelsport, was zeigt, dass das einst verrufene „Kugelschieben“ nun salonfähiger geworden war.
Industrialisierung und Vereinswesen: Im 19. Jahrhundert erlebte der Kegelsport in Deutschland einen großen Aufschwung. Zunächst gründeten sich vielerorts Kegelklubs, oft aus wohlhabenden Bürgern oder Handwerksmeistern, die das gesellige Spiel pflegten. Interessanterweise verfolgten einige dieser frühen Vereine auch wohltätige Zwecke – so diente die Mitgliedskasse mancher Kegelgesellschaft zur Unterstützung Bedürftiger in der Gemeinde. Doch zunehmend trat der sportliche Ehrgeiz in den Vordergrund. Bereits 1885 schlossen sich in Dresden mehrere Klubs zum „Zentralverband Deutscher Kegelklubs“ zusammen, um Regeln zu vereinheitlichen und Wettbewerbe zu organisieren. Dieses Gremium benannte sich 1889 in Deutscher Keglerbund (DKB) um, und ab 1891 wurden offiziell Deutsche Meisterschaften im Kegeln ausgetragen. Damit war der Grundstein für das moderne Sportkegeln gelegt: Bahnen, Kugeln und Kegel wurden genormt, und regelmäßige Turniere förderten den überregionalen Wettkampf. Kegeln wurde nun zu einem echten Breitensport – im Kaiserreich und der Weimarer Zeit galt es als „König der Hobbys“, da unzählige Menschen in ihrer Freizeit die Kugel schoben.
Parallel zur Entwicklung im eigenen Land trugen deutsche Auswanderer das Kegelspiel auch in ferne Regionen. So gelangte das Neunkegeln etwa nach Nordamerika, wo es auf fruchtbaren Boden fiel. In den USA war Kegeln im 19. Jahrhundert zunächst ebenfalls populär, geriet aber wegen illegaler Wettpraktiken in Verruf. Eine berühmte Anekdote beschreibt, wie 1837 im US-Bundesstaat Connecticut das Ninepins-Spiel verboten wurde – und findige Spieler daraufhin einfach einen zehnten Kegel hinzufügten und die Anordnung der Pins in ein Dreieck änderten, um das Verbot zu umgehen. Auf diese Weise soll das Bowling entstanden sein, das sich als Variante mit zehn Pins rasch in Amerika ausbreitete. Während also Bowling im späten 19. Jahrhundert in den USA seinen Siegeszug antrat (1891 wurde dort der American Bowling Congress gegründet), blieb Deutschland vorerst dem traditionellen Kegeln treu. Dennoch kehrte das amerikanische Zehn-Pin-Spiel bald über den Atlantik zurück: Ab Beginn des 20. Jahrhunderts gab es auch in Europa Interesse am Bowling, wenngleich es zunächst nur vereinzelt gespielt wurde.
In der Zwischenkriegszeit kam es zu wichtigen Weichenstellungen im Kegelsport. Regional hatten sich unterschiedliche Bahn-Bauarten entwickelt – vor allem die Asphaltbahn, Bohlebahn und Scherenbahn (siehe unten) – und der DKB reagierte darauf: 1921 wurden Scherenbahnen offiziell zugelassen, und 1929 beschloss der DKB, auch die amerikanische „Bowlingbahn“ als vierte Bahnart aufzunehmen. Damit integrierte man das Bowling endgültig als Teil des deutschen Kegelsports. Bereits 1931 wurden dann die ersten deutschen Bowling-Meisterschaften ausgetragen. Internationale Wettbewerbe ließen ebenfalls nicht lange auf sich warten: 1926 entstand ein Weltverband (IBA) für Bowling, und 1937 fand in Berlin eine Weltmeisterschaft statt, bei der Deutschland prompt die erste Goldmedaille gewann. In diesen Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg war Deutschland im Kegeln sportlich auf Augenhöhe – es gab bereits Welt- und Europaturniere im klassischen Kegeln, an denen deutsche Athleten erfolgreich teilnahmen.
Die Kriegs- und Nachkriegszeit unterbrach die Entwicklung zunächst. Während der NS-Zeit wurden die Sportverbände gleichgeschaltet; ein eigenständiger Arbeiter-Keglerbund, der seit 1924 existiert hatte, wurde 1933 verboten. Nach 1945 lösten die Alliierten den DKB als Organisation zunächst auf. Doch schon 1950 kam es in Bielefeld zur Neugründung des Deutschen Keglerbundes e.V. im nun geteilten Deutschland. Fortan entwickelten sich Kegeln und Bowling in Ost- und Westdeutschland teils getrennt weiter: In der DDR wurde Kegeln als Leistungsport zeitweise stark gefördert – es gab spezielle Trainingszentren (sogenannte Kegelschwerpunkte, etwa in Schkopau bei Halle) und eigene Ligen. DDR-Kegler dominierten in den 1950er-Jahren sogar die Weltspitze: Bei der ersten Kegel-Weltmeisterschaft nach dem Krieg, die 1955 in Essen ausgerichtet wurde, gewann der Ausnahmeathlet Eberhard Luther aus der DDR den Weltmeistertitel im Einzel und mit der Mannschaft. Er wiederholte diesen Triumph 1959 bei der WM in Bautzen. In Westdeutschland entwickelte sich Kegeln derweil vor allem in der Breite weiter – zehntausende Freizeitkegler schlossen sich in Vereinen zusammen, und der Sport blieb bis in die 1980er-Jahre populär. Auch Bowling fasste im Westen richtig Fuß: Ab Mitte der 1950er kamen dank technischer Innovation – insbesondere der automatischen Aufstellmaschinen für Pins – zahlreiche moderne Bowlingcenter auf. Bowling wurde zu einem trendigen Freizeitvergnügen der Nachkriegszeit, befeuert durch den amerikanischen Einfluss. 1952 war die Bundesrepublik dem Weltverband FIQ beigetreten, und in den 1960er-Jahren schossen Bowlingbahnen in vielen Großstädten aus dem Boden. 1960 wurde in Hamburg erstmals eine Bowling-Weltmeisterschaft in Deutschland ausgerichtet, und 1970 startete hierzulande die erste Bowling-Bundesliga der Herren (1973 folgte die Damen-Bundesliga).
In den folgenden Jahrzehnten existierten klassisches Kegeln und Bowling in Deutschland nebeneinander. Organisatorisch blieb man vereint: Bereits 1950 hatte der wiedergegründete DKB beide Sportarten unter seinem Dach; heute firmiert er als Deutscher Kegler- und Bowlingbund. Innerhalb dieses Bunds gibt es für die Disziplinen Classic-Kegeln, Bohle, Schere und Bowling eigene Unterverbände, doch alle ziehen an einem Strang, um den Kegel- und Bowlingsport zu fördern. Sportkegeln wurde in Ost wie West bis zur Wiedervereinigung als Wettkampfsport betrieben – in der DDR allerdings nahm die Förderung Anfang der 1970er ab, da nicht-olympische Sportarten wie Kegeln zugunsten olympischer Medaillenchancen zurückgestuft wurden. Nach 1990 erlebte der Kegelsport in den neuen Bundesländern einen Einschnitt: Viele kommunale Kegelbahnen und Clubs mussten mangels Finanzierung schließen. Im gesamtdeutschen Maßstab ging die Zahl aktiver Sportkegler seither zurück, was auch an veränderten Freizeitgewohnheiten liegt. Zählte der DKB in den 1980er-Jahren noch weit über 100.000 organisierte Kegler, waren es 2017 nur noch rund 80.000 Mitglieder. Dennoch bleibt Kegeln lebendig – vielerorts wird es weiterhin als Breitensport und Hobby gepflegt, und deutsche Kegelteams gehören international oft zur Spitze (siehe unten). Das Bowling hat sich derweil als eigenständiges Massenhobby etabliert: Bowlingcenter gehören heute in fast jeder größeren Stadt zum Freizeitangebot, und Bowling spricht besonders auch junge Menschen an. So stehen im 21. Jahrhundert in Deutschland zwei eng verwandte Sportarten Seite an Seite: das traditionsreiche neun-Kegel-Spiel und die moderne zehn-Pin-Variante. Beide blicken auf die selben Wurzeln zurück und werden nach wie vor begeistert betrieben – sei es als geselliges Freizeitvergnügen oder als ambitionierter Wettkampfsport.
Bekannte Orte und Zentren des Kegelsports in Deutschland
Kegeln war in Deutschland historisch gesehen kein auf einzelne Orte begrenztes Phänomen – im Gegenteil, es galt lange als Volkssport, der überall im Land anzutreffen war. Bereits im Spätmittelalter existierten in vielen Gemeinden ausgewiesene Kegelplätze, oft unter freiem Himmel, auf denen bei Kirchweihen und Jahrmärkten eifrig gespielt wurde. Später, im 19. und 20. Jahrhundert, verlagerte sich das Kegeln zunehmend nach innen: Zahlreiche Gasthäuser und Vereinsheime richteten eigene Kegelbahnen ein, nicht selten im Keller oder Hinterhof. Die klassische Szenerie – eine Holzbahn im Keller einer Kneipe, auf der der Kegelclub an seinem wöchentlichen Abend „in die Vollen“ spielt, während oben im Schankraum gefeiert wird – ist eine deutsche Kulturlandschaft für sich. In den 1950er- bis 1980er-Jahren gab es wohl in nahezu jeder Stadt und größeren Ortschaft mindestens eine solche Kegelbahn. Einige Firmen und Gemeinden betrieben eigene Kegelzentren, insbesondere in der DDR, wo große Betriebe ihren Belegschaften das Kegeln als Freizeitausgleich ermöglichten.
Trotz dieser breiten Verankerung lassen sich doch einige Orte und Regionen als besondere Hochburgen des Kegelsports hervorheben. Eine davon ist zweifellos die Stadt Stade in Niedersachsen: Hier wurde 1822 der älteste bis heute bestehende Kegelverein Deutschlands gegründet, die „Kegel-Club-Gesellschaft vom Ratsweinkeller zu Stade“. Dieser traditionsreiche Club – gegründet von honorigen Kaufleuten und Handwerkern – existiert seit über 200 Jahren ununterbrochen und pflegt noch immer die alten Bräuche. So kegeln die Mitglieder in Stade bis heute in historischem Ambiente und sammeln bei jedem Treffen Spenden für wohltätige Zwecke, ganz im Sinne ihrer Gründerväter. Stade steht exemplarisch für den großen Stellenwert, den Kegelclubs im 19. Jahrhundert in vielen deutschen Städten hatten: Neben Stade gab es früh etablierte Kegelgesellschaften etwa in Berlin, Köln, Leipzig und anderen Handelsstädten, wo Bürgergesellschaften das Kegeln als geselliges Hobby und Netzwerkpflege nutzten. In vielen Städten waren die sogenannten Ratskeller – die Kellergewölbe der Rathäuser oder Weinhäuser – die bevorzugten Treffpunkte für Kegelrunden der Honoratioren. Zahlreiche dieser historischen Kegelclubs existieren bis heute oder haben zumindest ihre Spuren hinterlassen.
Auch sportlich haben sich im Lauf der Zeit regionale Zentren herausgebildet. Das liegt nicht zuletzt an den verschiedenen Bahnarten, die sich in Deutschland etabliert haben und jeweils in bestimmten Landesteilen vorherrschen. So ist die Asphalt- bzw. Classic-Bahn – die heute meist aus Kunststoff besteht und absolut eben ist – vor allem in Süd- und Ostdeutschland verbreitet. In Bundesländern wie Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen oder Thüringen wird überwiegend auf Classic-Bahnen gekegelt, und viele Spitzenvereine dieser Regionen nutzen solche Bahnen. Die Bohlebahn, gekennzeichnet durch eine schmale, leicht gewölbte Holzlaufbahn mit kontinuierlicher Steigung, ist hingegen die Domäne des Norden: In Norddeutschland, von Niedersachsen über Bremen und Hamburg bis Schleswig-Holstein, hat das Bohle-Kegeln eine lange Tradition. Zahlreiche Clubs in Küstennähe spielen seit Generationen auf Bohle – etwa in Städten wie Kiel, Oldenburg oder Lübeck – und richten regionale Meisterschaften auf diesem Bahntyp aus. Die dritte Variante, das Schere-Kegeln, ist historisch im Westen beheimatet, insbesondere im Rheinland und in Westfalen. Scherenbahnen, die sich nach hinten auffächern (daher der Name), findet man klassischerweise in NRW, im Saarland und Teilen von Hessen. Orte wie Duisburg, Düsseldorf, Köln oder Saarbrücken waren früher für ihre Schere-Kegelbahnen bekannt, und noch heute kommen die deutschen Schere-Meister meist aus westdeutschen Vereinen. Diese regionale Vielfalt macht den Reiz des Kegelsports in Deutschland aus – in jeder Gegend entwickelte sich eine etwas andere Kegel-Kultur. Dennoch gibt es auch überregionale Leistungszentren: So war etwa Berlin als Millionenstadt schon früh ein Zentrum mit allen Bahnarten, und in der DDR gab es bedeutende Leistungsstützpunkte in Leipzig/Halle, Rostock oder Karl-Marx-Stadt (Chemnitz).
Eine besondere Erwähnung verdienen die Vereine, die in den letzten Jahrzehnten auf nationaler und internationaler Ebene herausragten. Hier sticht vor allem der Sportkegler-Verein Rot-Weiß Zerbst (Sachsen-Anhalt) hervor: Die Herrenmannschaft aus der Kleinstadt Zerbst ist serienerfolgreich und gilt als eine der besten Kegel-Teams Europas. Seit der Gründung des Clubs 1999 hat Rot-Weiß Zerbst zahlreiche Deutsche Meisterschaften im Classic-Kegeln gewonnen und mehrfach den Weltpokal der Klubmannschaften geholt. Spieler aus ganz Europa (darunter Weltklasse-Kegler aus Slowenien, Kroatien etc.) starten für Zerbst, was den Ruf der Stadt als aktuelle „Kegel-Hauptstadt“ Deutschlands begründet. In der Bundesliga Classic der Damen ist wiederum der Verein SKC Victoria Bamberg aus Bayern seit Jahrzehnten tonangebend – Bambergs Keglerinnen errangen über 20 deutsche Meistertitel und mehrere Europapokalsiege, was die fränkische Stadt zum bekannten Namen in der Kegelszene macht. Daneben gibt es quer durch die Republik viele weitere Vereine mit großer Tradition und Erfolgen, etwa in Schleswig-Holstein (im Bohle-Kegeln) oder in NRW (im Schere-Kegeln). Meistertitel werden jeweils getrennt nach Bahnart vergeben, sodass es regionale Verteilung der Erfolge gibt – alle paar Jahre treffen jedoch die besten Teams im DKB-Pokal und ähnlichen Wettbewerben aufeinander, was den Austausch fördert.
Und wie steht es um das Bowling in Deutschland? Auch hier gibt es wichtige Zentren. Historisch begann Bowling nach 1945 vor allem in den von US-Truppen besetzten Gebieten: In Städten mit amerikanischen Garnisonen – etwa Frankfurt am Main, München oder Berlin (West) – entstanden in den späten 1940ern und 1950ern die ersten modernen Bowlingbahnen nach amerikanischem Vorbild. Diese waren anfangs meist auf Militärbasen oder in Privatclubs, doch schnell erkannten deutsche Unternehmer das Potential. So öffnete 1959 in Essen eines der ersten öffentlichen Bowlingzentren. In den folgenden Jahrzehnten verbreitete sich Bowling in der ganzen Bundesrepublik; besonders in den 1980er- und 1990er-Jahren erlebte das Freizeitbowling einen Boom. Heute kann man in nahezu jeder Großstadt bowlen gehen – oft in großen Hallen mit Dutzenden Bahnen, Neonlicht und Musik. Eine herausragende Anlage ist der Dream-Bowl Palace in Unterföhring bei München: Er wurde 2009 eröffnet und verfügt über 52 Bowlingbahnen, was ihm den Rang als größtes Bowlingzentrum Europas einbrachte. In solchen modernen Zentren finden auch internationale Turniere statt (im Dream-Bowl Palace z.B. die Bowling-WM 2010 und EM 2019). Dennoch darf man nicht vergessen, dass auch das traditionelle Kegeln weiterhin in vielen Orten präsent ist – sei es auf den vier Bahnen im örtlichen Vereinsheim oder in der kleinen Kegelbahn im Hinterzimmer eines Landgasthofs. Auch wenn manche dieser Anlagen in den letzten Jahren schließen mussten, pflegen viele Gemeinden ihre Kegelbahnen als Teil des lokalen Kulturerbes. So gibt es bis heute regionale Kegelmetropolen im Kleinen: Orte, in denen der „Kegelabend“ im Verein eine feste Institution ist und lokale Meisterschaften mit Engagement ausgerichtet werden. Alles in allem ist der Kegelsport in Deutschland geographisch breit verwurzelt – vom hohen Norden bis in die Alpen, von der Provinz bis in die Metropolen finden sich seine Spuren.
Wichtige sportliche Ereignisse und Meisterschaften
Im Laufe der Geschichte haben sich zahlreiche bedeutsame Wettkämpfe und Meilensteine im Kegel- und Bowlingsport ereignet. Einige davon ragen besonders heraus und markieren die Entwicklung des Sports:
Entstehung nationaler Wettbewerbe: Mit der Gründung des Deutschen Keglerbundes in den späten 1880ern begann auch die Ära der organisierten Turniere. 1891 wurde in Deutschland erstmals eine offizielle Deutsche Meisterschaft im Kegeln ausgerichtet. In den Anfangsjahren standen Wettbewerbe auf Asphalt- und Bohlebahnen im Fokus; später kamen Schere-Meisterschaften hinzu, nachdem diese Bahnart zugelassen war. Die nationalen Titelkämpfe entwickelten sich bald zu Höhepunkten im Sportkalender – städtische Kegelbahnen füllten sich mit Zuschauern, wenn um die Meisterehre gekegelt wurde. Im Bowling begann die nationale Turniergeschichte etwas später: Nachdem Bowling 1929 in den DKB integriert worden war, fanden 1931 die ersten deutschen Bowling-Einzelmeisterschaften (für Herren) statt, 1932 folgten Team-Meisterschaften. Bis heute werden Jahr für Jahr Deutsche Meister in allen Disziplinen (Classic, Bohle, Schere, Bowling) ermittelt, von der Jugend bis zu den Senioren.
Internationale Erfolge vor und nach dem Krieg: Bereits vor 1940 konnte Deutschland international glänzen. Ein frühes Highlight war die Weltmeisterschaft 1937 in Berlin, wo deutsche Kegler die Goldmedaille errangen – ein Erfolg, der dem Sport hierzulande viel Aufmerksamkeit brachte. Nach dem Zweiten Weltkrieg knüpften deutsche Athleten nahtlos an frühere Erfolge an. Die ersten Weltmeisterschaften im Sportkegeln der Nachkriegszeit wurden 1955 in Essen ausgetragen und gerieten zu einem Triumph für die Gastgeber: Eberhard Luther gewann für die DDR sowohl den Einzel- als auch den Mannschaftstitel und schrieb sich damit als erster deutscher Weltmeister im Kegeln in die Geschichte ein. Diese WM auf Scherenbahnen 1955 gilt als Startpunkt für eine bis heute andauernde Erfolgsgeschichte: In den folgenden Jahrzehnten holten deutsche Sportkegler und -keglerinnen unzählige Medaillen bei Europa- und Weltmeisterschaften. Besonders Teams und Spieler aus Deutschland (anfangs getrennt in DDR und BRD, seit 1991 gemeinsam) standen regelmäßig auf dem Podium. So gewannen deutsche Herrenteams z.B. in den 1960ern und 1970ern mehrmals den Europapokal, und deutsche Einzelkegler stellten Weltrekorde auf. Auch bei den Weltmeisterschaften im Classic-Kegeln (die seit den 1970ern im Zwei-Jahres-Rhythmus stattfinden) zählen die deutschen Mannschaften traditionell zu den Favoriten und konnten mehrfach den Titel erringen – zuletzt die Damen-Mannschaft, die 2017 Weltmeister wurde. Im Bohle- und Schere-Kegeln, die ebenfalls eigene WM-Turniere kennen, ist Deutschland ebenfalls häufig siegreich, da diese Varianten vor allem in Mitteleuropa gespielt werden.
Entwicklung des Bowlingsports: Auch im Bowling gab es wichtige Meilensteine. Nach der Etablierung der ersten Bowlingligen kulminierte die sportliche Entwicklung im Aufbau einer obersten Spielklasse: 1970 startete die Bowling-Bundesliga (Herren) mit zwölf Clubs, was den Bowlingsport in Deutschland professionalisierte. Drei Jahre später folgte eine Bundesliga für Damen. International tat sich Deutschland im Bowling ebenfalls hervor, wenngleich die Konkurrenz hier – vor allem aus den USA und asiatischen Ländern – stärker war. Dennoch errangen deutsche Bowler einige Achtungserfolge bei Weltmeisterschaften. Ein bedeutendes Ereignis war die Bowling-WM 1960 in Hamburg, die erste Weltmeisterschaft auf deutschem Boden. Zwar reichte es damals nicht für den Titel, doch die Ausrichtung selbst zeigte den Anschluss an die Weltelite. Viele Jahre später, 1988, rückte Bowling sogar ins Rampenlicht der Olympischen Spiele: In Seoul war Bowling ein Demonstrationswettbewerb – mit deutscher Beteiligung – was die Hoffnung nährte, es könnte olympisch werden (dies erfüllte sich letztlich nicht, aber der Status als olympiawürdige Sportart wurde formal anerkannt). In jüngerer Zeit gelang es deutschen Bowling-Nationalteams immer wieder, bei Europa- und Weltmeisterschaften vordere Platzierungen zu erreichen. Beispielsweise holte die deutsche Herrenmannschaft 2005 WM-Bronze, und im Jahr 2010 fand nach langer Pause erneut eine Bowling-WM in Deutschland statt (im oben erwähnten Dream-Bowl Palace in Unterföhring), bei der die heimischen Teams vor eigenem Publikum antraten. Auf kontinentaler Ebene sind deutsche Bowler ebenfalls erfolgreich: So gab es mehrfach EM-Titel im Einzel und mit der Mannschaft, sowohl bei den Damen als auch bei den Herren.
Ligabetrieb und Pokalwettbewerbe: Auf nationaler Ebene stellen die Bundesligen das Rückgrat des sportlichen Wettkampfs dar. Im Kegeln existieren heute getrennte Bundesligen für Classic-, Bohle- und Schere-Kegler, jeweils für Damen und Herren. Über Auf- und Abstiegssysteme kämpfen sich die besten Clubs bis in diese höchste Spielklasse, wo um die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft gespielt wird. Beispielsweise dominierte in den 2000er- und 2010er-Jahren Rot-Weiß Zerbst die 1. Bundesliga Classic der Herren und gewann zahlreiche Titel in Serie. Ähnlich erfolgreich waren die Damen von Victoria Bamberg in ihrer Liga. Neben den Ligen gibt es den DKB-Pokal (früher auch unter anderen Namen ausgetragen), einen Wettbewerb, der alle Disziplinen und Vereine offensteht – eine Art DFB-Pokal des Kegelsports. Solche Veranstaltungen sind wichtige Ereignisse im Jahreskalender und fördern den Zusammenhalt über die Regions- und Bahnart-Grenzen hinweg. Im Bowling existiert analog eine Bundesliga und Deutsche Meisterschaften im Einzel, Doppel, Trio und Team. Auch hier haben sich in der Vergangenheit einige Clubs hervorgetan, zum Beispiel der 1. BC München oder der BV Rot-Blau Berlin, die mehrfach Meister wurden.
Insgesamt lässt sich sagen, dass Deutschland im Kegel- wie im Bowlingsport über die Jahrzehnte hinweg zahlreiche Titel errungen hat und oft als Gastgeber großer Turniere fungierte. Von den ersten Bundesfesten Ende des 19. Jahrhunderts über die Weltmeisterschaften 1955 und 1960 bis hin zu modernen Events wie Weltcups, Europameisterschaften oder Champions-League-Wettbewerben der Klubmannschaften – der deutsche Kegelsport hat viele unvergessliche Ereignisse gesehen. Diese sportlichen Höhepunkte tragen wesentlich dazu bei, den Sport attraktiv zu halten und immer neue Generationen von Spielern zu motivieren.
Interessante Fakten und Anekdoten rund um den Kegelsport
Der Kegelsport in Deutschland ist reich an Traditionen, Begriffen und kuriosen Begebenheiten, die ihn liebenswert machen. Ein paar davon sollen hier zum Abschluss vorgestellt werden:
Sprache und Redewendungen: Aus dem Kegeln haben sich einige feste Sprüche und Begriffe in die deutsche Alltagssprache eingebürgert. Sehr bekannt ist der Jubelruf „Alle Neune!“, der ursprünglich beim Kegeln ertönt, wenn ein Spieler mit einem Wurf alle neun Kegel abräumt – also einen perfekten „Strike“ im Kegeln erzielt. Diese Redewendung verwendet man inzwischen auch allgemein, wenn jemand einen vollen Erfolg erzielt oder etwas komplett erledigt. Ebenso gehört der Keglergruß „Gut Holz!“ zum Kulturgut. Dieser traditionelle Zuruf – sinngemäß: „Gutes Gelingen beim Umwerfen der Hölzer!“ – wird von Keglern einander vor dem Wurf gewünscht. „Gut Holz“ ist so üblich, dass er scherzhaft auch in anderen Bereichen als Glückwunsch eingesetzt wird, ähnlich wie Jäger „Waidmannsheil“ sagen. Das Wort „Holz“ selbst steht im Kegeljargon übrigens für die gefallenen Kegel (da diese aus Holz sind) und somit für Punkte. Wer beim Spiel einen Fehlwurf produziert – also gar keinen Kegel trifft – hat je nach Region einen „Pudel“ (auch „Rinne“ oder „Gasse“) geworfen und muss dafür traditionell eine kleine „Strafe“ zahlen (etwa in die Klubkasse). Diese bunten Begriffe und kleinen Ritualstrafen (wie das Zahlen einer Runde Bier nach drei Pudeln etc.) tragen viel zur Geselligkeit im Keglerleben bei.
Geselligkeit und Klubleben: Apropos Geselligkeit – der Kegelsport war und ist in Deutschland eine sehr gemeinschaftliche Angelegenheit. In vielen Kegelclubs gibt es bis heute die Sitte der „Kegelkasse“: Für gewisse Ereignisse im Spiel (Fehlwürfe, bestimmtes Zahlenbild etc.) zahlen die Spieler kleine Beträge ein, und das gesammelte Geld wird am Jahresende für einen gemeinsamen Ausflug oder eine Feier verwendet. Solche Kegeltouren – oft Wochenendreisen mit dem ganzen Klub – sind legendär und sorgen für Zusammenhalt. Kein Wunder also, dass das Wort „Kegelbruder“ bzw. „Kegelschwester“ sprichwörtlich für eine vertraute, trinkfeste Kameradschaft steht. Kegelclubs wählen nicht selten originelle oder scherzhafte Namen (z.B. „Gut Holz [Ortsname]“, „Alle Neune e.V.“ oder Wortspiele wie „Die Kugelblitze“), was den heiteren Charakter unterstreicht. Allerdings hatte diese Feierkultur auch ein Image-Problem zur Folge: In den letzten Jahrzehnten galt Kegeln vielen jungen Leuten als altmodisch oder „spießig“, verbunden mit Klischees von Rentnern in Vereinsheimen. Dieses Image wandelte sich jüngst etwas – parallel zum Retro-Trend erleben Kegelbahnen als Partyevent eine kleine Renaissance. In vielen Städten kann man Bahnen stundenweise mieten, und jüngere Gruppen entdecken beim „Disco-Kegeln“ mit Musik und buntem Licht den Spaß am „Kultsport“ ihrer Eltern neu. So schließt sich der Kreis: Kegeln erweist sich wieder als gemeinschaftsstiftendes Vergnügen für Alt und Jung.
Historische Kuriositäten: Die Geschichte des Kegelns hält einige spannende Anekdoten bereit. Eine davon ist die bereits erwähnte Verbindung von Religion und Spiel: Dass Mönche das Kegeln als sinnbildliches Dämonenbekämpfen interpretierten („Heidentöten“), zeigt mit Augenzwinkern, wie sogar fromme Brüder dem Reiz der rollenden Kugel erlagen. Interessant ist auch, dass Kirchengemeinden im späten Mittelalter zu den ersten Besitzern fester Kegelbahnen zählten – vermutlich, um das volkstümliche Spiel bei Kirchenfesten zu integrieren und in geordnete Bahnen zu lenken. Eine andere Anekdote betrifft die Technik: Früher mussten sogenannte Kegeljungen die umgefallenen Kegel von Hand wieder aufstellen – ein anstrengender Job, meist für ein Trinkgeld ausgeführt. Man erzählt sich, dass aus Bequemlichkeit der Aufsteller einst die Regel entstand, erst dann wieder aufzubauen, wenn „alle Neune“ gefallen waren. So entwickelte sich das Abräumerspiel (bei dem weitergekegelt wird, bis alle Kegel umgeworfen sind), das heute ein fester Bestandteil jedes Wettkampfmodus ist. Mit der Einführung elektrischer Kegelstellmaschinen ab Mitte der 1950er verschwanden die Kegeljungen zwar, doch die Spielformen blieben erhalten.
Bowling vs. Kegeln – ein Vergleich: Oft wird Kegeln mit dem populären Bowling in einen Topf geworfen, doch es gibt amüsante Unterschiede. Die Kugeln beim Kegeln sind etwas kleiner und haben keine Fingerlöcher, was anderes Geschick erfordert – Kegler scherzen gern, Bowler würden „in die Kugel greifen, weil sie sie sonst nicht halten können“. Umgekehrt ziehen Bowler ihre speziellen Schuhe an und spielen auf glänzenden Kunststoffbahnen mit Popmusik im Hintergrund, was Kegler mitunter als „Discokugeln werfen“ aufziehen. Diese Neckereien sind natürlich augenzwinkernd gemeint, denn letztlich gehören beide Sportarten zusammen. Viele aktive Sportler betreiben auch beides parallel. Und manche Rekorde sind beeindruckend: Im Bowling gilt der „Perfekte Spiel“-Rekord von 300 Punkten (zwölf Strikes in Folge) als Ritterschlag; im Classic-Kegeln hingegen ist die maximale Holzzahl bei 120 Wurf theoretisch 1080 Holz – ein Wert, der unerreichbar scheint. Die aktuellen Weltrekorde liegen knapp unter der 1000-Holz-Marke und zeigen, wie nahe Kegeln an Präzisionsarbeit ist.
Zum Abschluss noch ein Blick auf den kulturellen Einfluss: Das Wort „Kegeln“ hat dem deutschen Sprachgebrauch sogar sprichwörtliche Wendungen geschenkt. Wer „eine ruhige Kugel schiebt“, bezieht sich unbewusst aufs gemächliche Kegeln und meint damit gemütliches Nichtstun. Und auch im Fernsehen und Film taucht Kegeln immer wieder als Motiv auf – sei es in Loriots Sketches oder in Lokalkrimis, wo der Kegelclub eine Rolle spielt. All das unterstreicht, dass Kegeln in Deutschland weit mehr ist als nur ein Sport: Es ist Teil der Alltagskultur und Geschichte. Vom Mittelalter bis heute hat sich der Kegelsport stets neu erfunden und dabei Generationen von Menschen Freude bereitet. In diesem Sinne: Gut Holz! – mögen auch künftig die Kugeln rollen und alle Neune fallen.
QUELLEN:
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Kegeln – Wikipedia (deutsche Ausgabe) – Geschichtliche Entwicklung, Verbandsinformationen, Begriffe
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Planet Wissen: „Kegeln – urdeutsches Hobby“ – WDR (Beitrag von Ingo Neumayer, Stand 2018)
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Bowling – Wikipedia (deutsche Ausgabe) – Geschichte des Bowlings und Entwicklung in Deutschland
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Deutschlandfunk Kultur: „Kegeln in Deutschland – Wir sind kurz vor dem Aussterben“ – Bericht vom 11.03.2018 (Eduard Hoffmann)
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Kegelwelt – Geschichte des Kegelsports – Online-Artikel (2023)
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Dream-Bowl Palace – Wikipedia – Größtes Bowlingzentrum Europas in Unterföhring/München